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Essens Baier: Zwischen Babyglück und Titeltraum

Mittelfeldspieler kann am Samstag mit RWE Herbstmeister werden.

Schon gut einen Monat vor dem Weihnachtsfest erlebt Rot-Weiss Essens Mittelfeldspieler Benjamin Baier (auf dem Foto beim Elfmeter) eine Art vorgezogene Bescherung: Tabellenführung in der Regionalliga West nach zehn Spielen ohne Niederlage und der Einzug in das Halbfinale des Niederrheinpokals mit dem Traditionsverein. Dazu die Geburt seines Sohnes Ben vor wenigen Tagen. „Kann man so sagen“, antwortet der gut gelaunte 26-Jährige und frisch gebackene Vater im Gespräch mit DFB.de und MSPW auf die Frage, ob schon jetzt alle seine Wünsche zum Fest erfüllt sind.

Im Moment der wohl größten Euphorie seit Jahren beim ehemaligen Bundesligisten aus dem Herzen des Ruhrgebiets, der knapp 60 Jahre nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1955 in dieser Saison erstmals seit 2008 wieder ernsthaft um die Rückkehr in den Profifußball kämpft, blickt der jüngere Bruder von Bundesligaprofi Daniel Baier (30/FC Augsbrg) aber auch auf die Tiefpunkte zu Saisonbeginn zurück: „Es war harte Arbeit für unseren steinigen Weg nötig. Dieser ist noch längst nicht zu Ende.“

„Herbstmeisterschaft ist für uns zweitrangig“

Aus eigener Kraft kann der Verein aus der neuntgrößten deutschen Stadt, der nach einem Insolvenzantrag im Jahr 2010 in der damaligen NRW-Liga (fünfthöchste deutsche Spielklasse) einen Neuanfang gestartet hatte, nun am Samstag (ab 13.30 Uhr) mit einem Sieg bei der Reserve des 1. FC Köln die Hinrunde als Spitzenreiter abschließen.

„Die Herbstmeisterschaft ist zweitrangig. Für uns geht es darum, immer gierig auf weitere Erfolge zu sein“, bekräftigt der vor Saisonbeginn vom Zweitliga-Aufsteiger SV Darmstadt 98 verpflichtete „Benny“ Baier. „Im oberen Tabellendrittel ist ohnehin alles enorm eng. Die Konkurrenz ist mit ambitionierten Vereinen wie Viktoria Köln, Alemannia Aachen, Rot-Weiß Oberhausen oder auch der U 23 von Borussia Mönchengladbach sehr stark. Da kannst du mit zwei schlechten Spielen schon wieder deutlich zurückfallen. Genauso schnell geht es aber auch wieder nach oben.“

Ruhe in stürmischen Zeiten als Schlüssel zum Erfolg

Ein paar Wochen länger dauerte es freilich zu Saisonbeginn, bis der Motor der von Trainer Marc Fascher und Sportvorstand Dr. Uwe Harttgen umgebauten Mannschaft (elf Zugänge) auf Touren kam. Durch vier Unentschieden in den ersten vier Heimpartien und dem verlorenen Lokalderby gegen den kleinen Stadtnachbarn FC Kray (2:4) im eigenen „Wohnzimmer“ als Tiefpunkt drohte dem Kultklub von der Hafenstraße zunächst eine weitere Saison fernab der Spitzengruppe.

„Wir haben ein Spiel verloren, das du bei RWE nicht verlieren darfst. Wir konnten den Unmut der Fans schon verstehen“, erklärt Baier die Tage nach der Derbypleite, während Kapitän Mario Neunaber von „einem heftigen Gegenwind“ sprach. Eine gesonderte Aussprache der Mannschaft gab es im Anschluss an das Kray-Spiel aber nicht. „Der Schlüssel zum Erfolg war vielmehr, dass wir auch in dieser stürmischen Phase immer die Ruhe behalten und an den richtigen Stellschrauben gedreht haben“, so der 26-Jährige.

Eine Art Wendepunkt markierte dabei der 2:1-Heimsieg gegen den damaligen Tabellenführer FC Viktoria Köln. Beim Stand von 0:1 lagen die Rot-Weissen schon 14 Punkte hinter der Spitze, bis die Essener die Partie in den letzten fünf Minuten noch drehen konnten und damit einen „goldenen Herbst“ einleiteten. Baier: „Durch unsere große Qualität in der Offensive hatte ich immer das Gefühl: Wir können noch ein Tor machen. Welchen Einfluss das Spiel auf unsere weitere Entwicklung hatte, ist aber schwer zu sagen.“

Essener Standardsituationen: Ein Fall für drei

Auf das Viktoria-Spiel folgten allerdings fünf Siege und ein Unentschieden (Torverhältnis 18:2), die RWE an die Spitze katapultierten. Auch dank der Rückkehr von Abwehrchef Philipp Zeiger, der sich kurz vor dem Ender der Vorbereitung einen Schlüsselbeinbruch zugezogen hatte, stabilisierte sich die zu Saisonbeginn anfällige Defensive (aktuell seit 401 Minuten ohne Gegentor).

„Wir hatten als neue Mannschaft einige Baustellen abzuarbeiten. So etwas schweißt zusammen. In den vergangenen Wochen konnten wir uns immer steigern“, erklärt Vizekapitän Baier die Essener „Spätzünder“, die aus Anlass des Meister-Jubiläums im kommenden Jahr sämtliche Heimspiele bis zum Saisonende in einem rot-goldenen Traditionstrikot bestreiten werden.

Einen Bestwert erreichen der gebürtige Aschaffenburger mit dem leicht hessischen Akzent und seine Mitspieler auch durch die intensiv geübten Standardsituationen. Ein Großteil der ersten 37 Treffer fiel nach weiten Einwürfen von Tim Hermes und nach – meist von Baier, Tobias Steffen oder auch Hermes getretenen – Freistößen und Eckbällen. „Wir trainieren diese Situationen sehr oft. Unsere Standards sind eine Waffe, wenn es mal nicht so läuft“, so der 1,80 Meter große Mittelfeldmann, der auf dem Platz gerne das Heft in die Hand nimmt und auch durch seine Übersicht besticht.

Familientreffen mit Bruder Daniel in der Winterpause

Noch mehr Verantwortung wird Benjamin Baier demnächst auch abseits des grünen Rasens übernehmen müssen, wenn seine Lebensgefährtin Marlies und der neugeborene Ben in der Winterpause aus Aschaffenburg nach Essen umziehen werden. „Es wird eine kleine Umstellung als Vater. Ich bin aber ein eher ruhiger Typ und lasse alles auf mich zukommen“, betont der Rechtsfuß, der seit seinem Wechsel aus Darmstadt im südlichen Essener Stadtteil Rüttenscheid lebt.

Im nächsten Schritt wollen Baier und seine Partnerin, die seit rund sechseinhalb Jahren zusammen sind, den Hafen der Ehe ansteuern. Eine Familienzusammenführung wird es aber schon während der Winterpause geben. „Wir sind über Weihnachten traditionell bei meinem Bruder Daniel in Augsburg. Da gibt es immer viel zu erzählen“, grinst Benjamin. Auch beim Blick auf die Bundesliga-Tabelle (aktuell Platz sechs für den FCA) dürften im Hause Baier also kaum Wünsche offen bleiben.

 

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