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Wellenreuther weiß den „Moment einzuordnen“

Schalker Nachwuchstorhüter wohl auch in Frankfurt dabei.

Ingo Wellenreuther (55) erinnert sich noch ganz genau. „Unser Sohn Timon hat uns vor ziemlich genau zehn Jahren mitgeteilt, dass er beschlossen hat, Fußballprofi zu werden“, sagt der Bundestagsabgeordnete aus Karlsruhe und Präsident des Zweitligisten KSC im Gespräch mit dem kicker: „Nichts und niemand werde ihn davon abhalten.“

Wohlgemerkt: Timon Wellenreuther (19), Torwart-Neuentdeckung beim Bundesliga-Spitzenklub Schalke 04, war damals gerade neun Jahre alt und hatte beim kleinen Karlsruher Vorortverein SC Bulach die ersten „Gehversuche“ als Torhüter unternommen. Von Auftritten im Oberhaus des deutschen Fußballs – wie in der letzten Woche bei Bayern München (1:1) und gegen Borussia Mönchengladbach (1:0) – war er meilenweit entfernt.

„Schon damals zeichneten ihn sein Willen, sein Ehrgeiz und seine Ruhe auf dem Platz aus“, sagt der stolze Vater: „Für seinen Traum hat Timon bis heute unglaublich hart gearbeitet und ist nicht den einfachsten Weg gegangen. Weil er im Dezember geboren ist, war er in seinen Mannschaften fast immer der Jüngste und musste deshalb schon früh lernen, sich durchzusetzen. Umso schöner, dass er für seinen hohen Aufwand jetzt belohnt wird.“

Wellenreuthers Weg führte zwar nach weiteren Stationen in der Nachbarschaft von Karlsruhe (SVK Beiertheim, SpVgg Durlach-Aue und FC Astoria Walldorf) 2010 zum KSC. Leicht hatte es der junge Schlussmann dort aber nicht – eher im Gegenteil. „Er stand als Sohn des Präsidenten noch stärker unter Beobachtung als andere Spieler, musste sich immer wieder durchbeißen. Das war sicher nicht die schlechteste Schule“, meint Ingo Wellenreuther im Rückblick.

Das Angebot des FC Schalke 04, nach dem ersten U 19-Jahr vom beschaulichen Baden ins Ruhrgebiet umzuziehen, kam für den jungen Timon trotzdem wie gerufen. „Wir hatten ihn mehrfach beobachtet und dann auch zum Probetraining eingeladen. Timon, aber auch seine gesamte Familie, waren sofort Feuer und Flamme für Schalke“, beschreibt Oliver Ruhnert (43), Direktor der Schalker „Knappenschmiede“, die ersten Gespräche mit dem damals 17-jährigen Torwart-Talent, das nur wenige Monate später ins Internat der Gelsenkirchener einzog und – nur ein Jahr vor dem Abitur – zwangsläufig auch die Schule wechseln musste.

„Dass durch unsere exzellente Ausbildung in den letzten Jahren schon viele junge Torhüter auf Schalke den Weg nach oben gefunden haben, war für Timon sicher noch ein zusätzlicher Anreiz“, weiß Ruhnert. Welttorhüter Manuel Neuer vom FC Bayern München, Schalkes derzeit verletzte Nummer eins Ralf Fährmann, aber auch Christofer Heimeroth (Borussia Mönchengladbach), Lars Unnerstall (Fortuna Düsseldorf), Lukas Raeder (Vitoria Sebutal/Portugal) oder Mohamed Amsif (1. FC Union Berlin) lassen grüßen.

Die nötige Wettkampfhärte für die Bundesliga holte sich Timon Wellenreuther, inzwischen 1,86 Meter groß, erst in gleich vier Wettbewerben (Meisterschaft, DFB-Pokal, UEFA Youth League und Westfalenpokal) mit der Schalker U 19 unter Meistertrainer Norbert Elgert und dann durch regelmäßige Spielpraxis in der U 23 (16 Einsätze über 90 Minuten in der Regionalliga West). „Das war für seine positive Entwicklung sehr wichtig und zeigt einmal mehr, wie wichtig eine zweite Mannschaft für einen Profiklub sein kann“, betont U 23-Trainer Jürgen Luginger: „So war Timon optimal auf seine Bundesliga-Einsätze vorbereitet, als plötzlich nach Ralf Fährmann auch Fabian Giefer verletzungsbedingt passen musste. Spiele sind eben durch nichts zu ersetzen.“

Auch privat musste Timon Wellenreuther, den Ex-Profi Luginger als „modernen, mitspielenden Torhüter“ beschreibt, der „eine große Ruhe und Sicherheit ausstrahlt“, im Revier schnell erwachsen werden. Nach einem Jahr im Internat und mit dem Abi in der Tasche gründete der Blondschopf in Essen gemeinsam mit seinen Teamkollegen Pascal Itter (Mittelfeld) und Marvin Friedrich (Abwehr) in Essen eine Jungprofi-WG, stand so schnell auf eigenen Füßen. Demnächst will er im engeren Umfeld der Schalker Arena seine erste eigene Wohnung beziehen.

Die Gefahr, dass der junge Schlussmann wegen seiner aktuellen Erfolgswelle abheben und später in ein Loch fallen könnte, befürchten Luginger und Ruhnert nicht. „Das familiäre Umfeld passt, Timon bleibt mit Sicherheit auf dem Boden“, ist der U 23-Trainer überzeugt. „Er weiß den Moment richtig einzuordnen und wird auch keine Probleme damit haben, wieder in der Regionalliga zu spielen, wenn Fährmann und Giefer fit sind“, meint der Nachwuchsdirektor: „Die Erfahrung, in München oder vor 60.000 Fans auf Schalke im Tor zu stehen, kann ihm aber schon jetzt niemand mehr nehmen.“

Weil weder Fährmann noch Giefer fit sind, wird Wellenreuther wohl auch Samstag ab 18.30 Uhr bei Eintracht Frankfurt zwischen den Pfosten stehen.

 

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