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SG Wattenscheid-Trainer Farat Toku: „Bei Ruhe werde ich nervös“

39-jähriger äußert sich im großen Interview.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft und Unterstützung rollt auf die SG Wattenscheid 09 aus der Regionalliga West zu. Der ehemalige Bundesligist hat eine Crowdfunding-Aktion gestartet, um den Fortbestand des Traditionsvereins aus der Lohrheide zu sichern. Mindestens 350.000 Euro will die SGW-Vereinsführung um den Aufsichtsratsvorsitzenden Oguzhan Can einsammeln. Dafür hat sich der Traditionsverein eine Frist von 28 Tagen, also bis Mitte Januar, gesetzt. Nach nicht einmal 48 Stunden waren schon mehr als 145.000 Euro auf der Aktions-Internetseite gelistet. Das Fußballjahr 2018 endete für die Mannschaft von SGW-Trainer Farat Toku (Foto) zuvor mit einer positiven Überraschung. Gegen Tabellenführer Viktoria Köln gab es ein 3:0. Die Abstiegszone ist nun sechs Zähler entfernt. Auch in der vierten Saison unter Tokus Regie ist die SGW sportlich auf Kurs in Richtung Klassenverbleib.

Im FUSSBALL.DE -Interview spricht Farat Toku, der in Wattenscheid auch als Sportlicher Leiter arbeitet, mit MSPW-Redakteur Thomas Palapies-Ziehn über den gelungenen Jahresabschluss, die Zusammenarbeit mit dem Team und seine Wünsche für das neue Jahr.

FUSSBALL.DE: Den souveränen Tabellenführer FC Viktoria Köln 3:0 besiegt. Hätte das Fußballjahr 2018 rein sportlich viel besser enden können, Herr Toku?

Farat Toku: Wohl kaum! Vor allem die Art und Weise unseres Sieges hat mir gefallen. Unser Erfolg war überzeugend und völlig verdient. Wir hatten uns vor dem Duell für eine offensivere Aufstellungsvariante entschieden – und wurden für unseren Mut belohnt.

Was hatten Sie Ihren Spielern mit auf den Weg gegeben?

Toku: Wir wussten ganz genau, dass bei uns schon alles passen muss, um die Viktoria mit ihrer herausragend besetzten Mannschaft auch nur in Bedrängnis bringen zu können. Wir haben an unsere Chance geglaubt und sie genutzt.

Dennoch wirkten Sie nach der Partie nachdenklich. Mit welchem Gefühl gehen Sie in die Pause?

Toku: Selbstverständlich mache ich mir wegen der ungewissen Situation im Verein viele Gedanken. In meinem Kopf schwirren 1000 Fragen, wie es weitergeht. Das geht nicht spurlos an mir vorbei, obwohl ich das so oder so ähnlich bereits seit einigen Jahren kenne. Das ist schon sehr anstrengend. Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf.

Seit Sie im Amt sind, muss die SG Wattenscheid 09 mit äußerst bescheidenen Mitteln arbeiten. Wie gehen Sie damit um?

Toku: Jeder Verein hat seine Probleme. Bei uns nimmt es aber offenbar stets besondere Ausmaße an. Es war bisher nie so, dass wir mal über einen längeren Zeitraum in einem ruhigen Fahrwasser unterwegs sein durften. Wenn es nur einmal über ein paar Tage keine großen Schwierigkeiten gibt, werde ich auch sofort nervös. (lacht)

Der Verein hat eine Crowdfunding-Aktion gestartet, um die aktuelle Saison finanziell abzusichern. Wie haben Sie das aufgenommen?

Toku: Ich beobachte das selbstverständlich. Und es ist durchaus auch schön zu sehen, welche Anstrengungen unternommen werden, um den Verein zu unterstützen.

Sie gelten als Identifikationsfigur, sind dem Verein seit vielen Jahren treu, obwohl es auch andere Angebote gab. Warum?

Toku: Wenn ich Spieler anspreche, versuche ich, sie von der SG Wattenscheid zu überzeugen. Gelingt mir das, kommen sie zu uns. Im zweiten Schritt baue ich eine Bindung zu ihnen auf. Wenn ich dann bei Gegenwind selbst von Bord gehen würde, wäre das weder fair noch authentisch. Deshalb bin ich bisher immer standhaft geblieben. Während einer laufenden Saison hat sich die Frage noch nie gestellt. Ich gebe aber zu, dass ich in der aktuellen Situation gut überlegen muss. Schließlich möchte ich mich auch weiterentwickeln und irgendwann den nächsten Schritt machen. Ich habe viel Herzblut in den Klub gesteckt. Nach jeder Saison immer bei Null anfangen zu müssen, verhindert nachhaltiges Arbeiten. Ich hätte sicher nichts dagegen, wenn ich einmal etwas über Jahre aufbauen und entwickeln könnte.

Wenn Sie über die Mannschaft reden, sprechen Sie häufig nur von „meinen Jungs“. Sind Sie mehr als ein Trainer für Ihre Spieler?

Toku: Ich glaube, dass das zu meinem Charakter gehört. Ich will meine Spieler erst als Mensch kennenlernen, bevor ich sie als Spieler kennenlerne und bewerte. Ich tausche mich mit meinen Jungs aus, spreche sie vor allem auf freundschaftlicher Ebene an. Auf der anderen Seite bin ich aber auch nicht nur der Kumpeltyp. Ich bin der Trainer und da muss es auch klare Ansagen geben.

Wie sehr belastet die wirtschaftliche Lage des Vereins den sportlichen Bereich?

Toku: Ich finde, diese Frage sollte jeder einmal für sich selbst beantworten. Was passiert mit einem Arbeitnehmer, der über Monate arbeiten geht, seine bestmögliche Leistung bringt – und dann sein Gehalt nicht oder zumindest nicht rechtzeitig bekommt? Die monatlichen Kosten laufen weiter. Das ist keine schöne Situation. Ich halte nichts davon, sie als Alibi vorzuschieben. Sich davon ganz freizumachen, geht aber auch nicht.

Was wäre mit Ihrer Mannschaft sonst möglich?

Toku: Diese Frage stelle ich mir seit Jahren. Es wäre in der Tat interessant, in welche Richtung es dann gehen würde. Noch interessanter wäre allerdings die Frage, wo der Verein stehen könnte, wenn nach einer Saison nicht jedes Mal ein Umbruch stattgefunden hätte.

Rechnen Sie damit, dass einige Spieler den Klub während der Winterpause verlassen werden?

Toku: Davon muss ich ausgehen. Die anderen Vereine bekommen ja auch mit, was bei uns los ist.

Das komplette Interview mit Farat Toku finden Sie auf FUSSBALL.DE.

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