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„Kleiner Ronaldo“ aus Dessau: 30 Tore nach sieben Spielen

Nabil Mahmoud vom Kreisligisten BSG Medizin-Midya sorgt für Furore.
Superstar Robert Lewandowski vom deutschen Rekordmeister FC Bayern München hat mit seinen elf Treffern in den ersten sieben Saisonspielen einen neuen Bundesligarekord aufgestellt. Was Nabil Mahmoud vom Anhalt-Kreisligisten BSG Medizin-Midya aus Dessau jedoch gelungen ist, stellt selbst den polnischen Weltklassestürmer in den Schatten.

Der 25 Jahre alte Syrer hat im gleichen Zeitraum – bei sogar nur sechs Startelfeinsätzen – nicht weniger als 30 (!) Tore erzielt und somit entscheidenden Anteil am sportlichen Erfolg des verlustpunktfreien Tabellenführers. Allein beim 13:1-Erfolg gegen SG Abus/Mildensee II war Mahmoud zehnmal erfolgreich. Hinzu kamen noch ein Achter-, ein Fünfer-, ein Vierer- und ein Doppelpack. Nur beim jüngsten 6:0 gegen die FSG ESV Lok/Blau-Weiß Dessau II musste er sich mit dem Treffer zum Endstand begnügen. Wahnsinn!

Nur Spieler aus Nordsyrien, Afghanistan und Eritrea

Die BSG Medizin-Midya ist eine interkulturelle Fußballmannschaft, die mit der BSG Medizin Dessau fusionierte und seit dieser Saison erstmals eine gemeinsame Fußballabteilung im Verein gegründet hat und in der Anhalt-Kreisliga an den Start geht. Durch die Fusion leisten beide Vereine einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

„Star“ des 22-köpfigen Flüchtlingsteams, das ausschließlich aus Spielern aus Nordsyrien, Afghanistan und Eritrea besteht, ist Nabil Mahmoud. Dabei sieht man dem 1,72 Meter großen Stürmer seine Herkunft eher nicht an. Der Torgarant hat mit seinen blonden Haaren und blauen Augen vielmehr ein europäisches Erscheinungsbild.

Der Angreifer, der kaum Deutsch spricht, mit 17 Jahren ohne Schulabschluss sein Heimatland verlassen hatte und jetzt sein Geld als Dönerverkäufer verdient, blüht am Wochenende regelmäßig auf, wenn er – unter anderem zusammen mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Hussain – dem Ball hinterherjagen darf. Bei ihrer Ankunft in Deutschland waren die Brüder noch getrennt. Nabil war in einer Flüchtlingsunterkunft in Merseburg, Hussain in Berlin untergebracht. Privat haben sich beide mittlerweile gefunden, leben gemeinsam in einer kleinen Wohnung in Dessau.

Spielertrainer Huner Khalil unterstützt Torjäger

Große Unterstützung erhält Nabil von Spielertrainer Huner Khalil. Der 28-jährige Student, der auch als Vermessungs-Ingenieur arbeitet, hat seinem „Juwel“ bei den bürokratischen Abläufen für seine Aufenthaltserlaubnis geholfen. „Nabil ist ein dribbelstarker, ehrgeiziger und sehr schneller Spieler“ sagt Khalil gegenüber FUSSBALL.DE. „Auf dem Platz ist er wie eine Maschine, ist mit großer Leidenschaft dabei – egal gegen welchen Gegner es geht.“

Nabil Mahmoud, der von seinen Freunden und Mitspielern nur „Choche“ gerufen wird und dessen sportliches Vorbild Christiano Ronaldo ist, wurde bereits dreimal als bester Spieler beim Dessauer Hallenturnier ausgezeichnet. Wenn ihm ein Tor gelingt, ahmt er die Jubelpose von „CR7“ gerne nach. Durch die sozialen Netzwerke sind auch andere sportbegeisterte Flüchtlinge auf Nabil Mahmoud und sein Team aufmerksam geworden. Vier Spieler aus Berlin setzen sich jedes Wochenende zweieinhalb Stunden in den Zug, um mit dem „kleinen Ronaldo“ zu spielen.

Mögliche Wechsel zu höherklassigen Klubs scheiterten

Versuche, Nabil Mahmoud wegen seines Talents für Vereine aus höheren Ligen interessant zu machen, führten nicht zum Erfolg. Trainer Huner Khalil klopfte beispielsweise beim benachbarten Verbandsligisten SV Dessau 05 an, der jedoch kein Interesse zeigte. Beim Dessauer Ligakonkurrenten SG Rot-Weiß Thalheim durfte sich Nabil Mahmoud dagegen im Probetraining vorstellen, wusste auch zu gefallen. Wegen seines damals noch ungeklärten Aufenthaltsstatus kam eine Verpflichtung jedoch nicht zustande.

Auch deshalb verfolgt der Torjäger, der in Deutschland eine neue Heimat gefunden hat, ehrgeizige Ziele. Mit BSG Medizin-Midya will er unbedingt aufsteigen und am liebsten irgendwann gegen den Lokalrivalen SV Dessau 05 spielen, um sein Talent zu zeigen.

Großes Fest im Vereinsheim geplant

Nach den Spielen wird beim Tabellenführer immer kräftig gefeiert. Die Frauen der Spieler bereiten das Essen vor. Nach dem Schlusspfiff wird auf der Sportanlage gegrillt, getanzt und gelacht. Obwohl die Flüchtlingsmannschaft vom Vorstand sehr große Unterstützung erfährt, ist das Team bei den weiteren rund 300 Mitgliedern des Klubs noch nicht richtig angekommen.

„Viele haben noch Berührungsängste“, sagt Trainer Huner Khalil. „Um ins Gespräch zu kommen, planen wir am 18. November im Vereinsheim ein großes Fest, um uns den Leuten im Verein vorzustellen, und zu erklären, was wir vorhaben.“

Fairplay: Zwei Spieler freiwillig vom Platz

In der Anhalt-Kreisliga sind auch nicht alle Ligakonkurrenten begeistert über die neugegründete Flüchtlingsmannschaft. „Ich habe bisher bei keinem unserer Gegner rassistische Tendenzen festgestellt“, betont Khalil. „Missgunst und Neid, dass wir als Ausländerteam besser als unsere Konkurrenten sind, gibt es aber schon.“

Dabei setzte die BSG Medizin-Midya im jüngsten Meisterschaftsspiel ein vorbildliches Zeichen für Fairplay. Beim jüngsten 6:0-Erfolg gegen FSG ESV Lok/Blau Weiß Dessau II war die Gastmannschaft nur mit neun Spielern angetreten. „Als wir es bemerkten, haben wir sofort zwei aus unserer Mannschaft heruntergenommen und die Partie mit Neun-gegen-Neun zu Ende gespielt“, berichtet Huner Khalil.

Autor: Peter Haidinger/mspw

Foto-Quelle: Huner Khalil/BSG Medizin-Midya

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