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RWE-Sportdirektor Nowak nimmt Stellung: „Potenzial ist riesig“

Exklusiv-Interview über Hinserie, Transfers und Konkurrenz.
Als Sportdirektor des Traditionsvereins Rot-Weiss Essen in der Regionalliga West ist Jörn Nowak (33/Foto) offiziell seit dem 20. Mai im Amt. Er krempelte den Kader um und verpflichtete mit Christian Titz (48) einen neuen Cheftrainer. Zur Winterpause belegt RWE Rang drei. Im exklusiven kicker-Interview mit MSPW-Redaktionsleiter Ralf Debat zieht der Ex-Profi eine erste Bilanz.

Ein bekanntes Sprichwort sagt: Der letzte Eindruck bleibt hängen. Wie sehr schmerzt es vor diesem Hintergrund, dass sich RWE mit einer 0:2-Heimniederlage gegen den VfB Homberg in die Winterpause verabschiedet hat, Herr Nowak?
Es schmerzt total. Vor den letzten drei Partien innerhalb von acht Tagen hatten wir der Mannschaft genau diese Worte mit auf den Weg gegeben. Was dann im Pokal gegen den SV Burgaltendorf und in der Liga bei Borussia Dortmund II noch sehr gut funktioniert hatte, ist gegen Homberg leider schiefgegangen.

Ist diese Weihnachtsstimmung bei Ihnen getrübt?
Ein solches Negativerlebnis über Wochen mit sich heranzuschleppen, ist unangenehm. Wir wären sehr gerne mit einer noch besseren Ausgangsposition in die Winterpause gegangen.

Trotz des Dämpfers mischt RWE als Tabellendritter ganz oben mit, hat im Schnitt mehr als 2,1 Punkte pro Spiel geholt und steht im Halbfinale des Niederrheinpokals. Wie fällt Ihr Gesamtfazit aus?
Unter dem Strich können wir sicher zufrieden sein. Nicht nur mit der Punktausbeute, sondern vor allem auch mit der Tatsache, wie schnell sich die Mannschaft gefunden hat. Wir hatten viele positive Erlebnisse, zwischen Team und Fans gibt es einen Schulterschluss. Darauf hatten wir großen Wert gelegt. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass die Konkurrenz in der Spitzengruppe sehr stark ist und teilweise noch besser gepunktet hat. Viele Ausrutscher darf man sich in dieser Saison definitiv nicht erlauben.

Es kamen im Sommer ein neuer Sportdirektor, ein neuer Cheftrainer und insgesamt 16 neue Spieler. War dieser Umbruch nach den Misserfolgen in den letzten Jahren unvermeidlich?
Es war vorher bestimmt nicht alles schlecht, aber der Verein hatte sich auch nicht von ungefähr für tiefgreifende Veränderungen entschieden. Mit Blick auf den Spielerkader war es aus meiner Sicht notwendig, alte Zöpfe abzuschneiden und ein neues Gerüst aufzubauen.

Wie weit ist die Entwicklung der neu zusammengestellten Mannschaft schon fortgeschritten?
Wir sind definitiv noch nicht bei 100 Prozent, haben noch Potential nach oben. Da gilt für die Leistungsfähigkeit unserer Spieler, aber auch für die Stabilität innerhalb der Mannschaft. Wir bekommen immer noch zu viele und vor allem einfache Gegentore. Im Abschluss sind wir nicht effektiv genug. Da fehlen uns noch einige Prozentpunkte, die wir in der Rückrunde herausholen möchten.

Was zeichnet das Team vor allem aus?
Der Charakter der Mannschaft passt, der Teamspirit ist stark ausgeprägt. Alle sind extrem fokussiert, bringen großen Siegeswillen mit. Nur so war es möglich, so viele späte Erfolge einzufahren. Hinzu kommt eine große Breite im Kader, die es uns ermöglicht, auf Ausfälle adäquat zu reagieren und den Konkurrenzkampf zu fördern. Niemand kann sich ausruhen. Hinzu kommt nicht zuletzt eine hohe individuelle Qualität. Wir haben einige Jungs in unseren Reihen, die dem Spiel ihren Stempel aufdrücken können.

Was war Ihr wichtigster Transfer und warum?
Da möchte ich eigentlich ungern jemanden hervorheben. Klar ist aber, dass sich über die bisherige Saison gesehen Marco Kehl-Gomez als würdiger Kapitän herauskristallisiert hat. Er ist der Kopf der Mannschaft, geht mit Leistung voran. Wir können insgesamt mit der Entwicklung unserer Neuzugänge zufrieden sein.

Dennis Grote galt zu Saisonbeginn als Fixpunkt vor der Abwehr und Leistungsträger im Team. Warum konnte er dieser Rolle zuletzt nicht mehr gerecht werden und wurde kaum mehr eingesetzt?
Eines vorweg: Ebenso wie Marco Kehl-Gomez ist auch Dennis Grote für uns ein sehr wichtiger Spieler. Beide bringen fußballerisch, aber auch von ihrem Wesen her sehr viel mit, interpretieren die Rolle als Sechser allerdings unterschiedlich. Marco kommt eher über seine Zweikampfstärke, Dennis denkt offensiver. Die Entscheidung, wer in welcher Situation dem Team mehr hilft, trifft der Trainer. Als Marco gegen Homberg gesperrt war, hat man schon gesehen, dass uns ein Stück weit die Stabilität abhandengekommen ist. Dennis ist seiner derzeitigen Situation sicher nicht zufrieden, aber er hat sich während der gesamten Hinserie immer in den Dienst der Mannschaft gestellt.

Der neue Cheftrainer Christian Titz war zuvor beim Hamburger SV in der 1. und 2. Bundesliga tätig. Wie würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben?
Gut. Die Zusammenarbeit zwischen Trainer und Sportdirektor ist natürlich nie ganz reibungslos. Sollte sie auch nicht sein, denn Reibung erzeugt Energie. Sie ist aber in jeglicher Hinsicht konstruktiv und zielgerichtet. Wir beide wollen RWE voranbringen.

Eine noch bessere Platzierung verhinderte unter anderem eine Serie von drei Niederlagen in Folge von Ende September bis Mitte Oktober. Muss man solche Phasen bei einer neu zusammengestellten Mannschaft einkalkulieren?
Vielleicht nicht einkalkulieren, aber doch akzeptieren. Gerade die erste 1:4-Niederlage gegen Verl hat gezeigt, dass unser Gerüst noch nicht so stabil ist. Beim 2:3 in Gladbach haben wir dann eigentlich zunächst eine gute Reaktion gezeigt, dann aber nach dem ersten Gegentreffer sofort gewackelt. Das 0:1 gegen Fortuna Köln war dann die Konsequenz aus den beiden vorherigen Niederlagen. Wir haben jedoch daraus gelernt, uns gut erholt und wieder die Kurve bekommen. Solche Phasen hat jede Mannschaft während einer Saison. Es ist aber immer ein Kraftakt, einen solchen Trend zu stoppen und umzukehren.

Auswärts holte RWE 23 Punkte aus zehn Partien, vor eigenem Publikum aus neun Spielen „nur“ 18. Ärgert Sie das?
Ja, definitiv. Nicht nur der Verein hat den Anspruch, dass die Hafenstraße eine Festung sein muss. Auch die Mannschaft hatte sich das zum Ziel gesetzt. Deshalb ganz klar formuliert: Drei Heimniederlagen innerhalb einer Halbserie sind inakzeptabel.

In gleich neun Ligaspielen geriet RWE 0:1 in Rückstand. Auch wenn immerhin fünf dieser Partien noch gewonnen wurden: Wie erklären Sie sich das?
Keine Frage: Für eine Spitzenmannschaft bekommen wir nicht nur zu viele Gegentore, sondern geraten auch zu oft in Rückstand. Das ist Fakt. Allerdings glaube ich nicht, dass es an mangelhafter Konzentration in den Anfangsphase liegt. Vielmehr investieren wir sehr viel, um die Spiele möglichst frühzeitig auf unsere Seite zu ziehen. Allerdings sind wir dann bei Ballverlusten oft anfällig und machen es den Gegnern zu leicht. Daran müssen wir arbeiten.

Trainer Christian Titz sieht vor allem die Defensive noch nicht optimal aufgestellt, könnte sich da im Winter noch eine Verstärkung vorstellen. Gehen Sie da mit?
Wir wollen und müssen unsere Defensive weiter stabilisieren und damit den durchaus positiven Trend der letzten Wochen – das Homberg-Spiel einmal ausgeklammert – fortsetzen. Ob das unbedingt durch neues Personal passieren muss, ist eine andere Frage. Ich will das nicht ausschließen, sehe aber auch bei unseren aktuellen Spielern, bei der Organisation, bei der Abstimmung und beim Zusammenspiel der einzelnen Mannschaftsteile noch Verbesserungspotenzial. Das gehört zur Entwicklung dazu. Daniel Heber und Alexander Hahn in der Innenverteidigung sowie Marco Kehl-Gomez als Sechser waren zuletzt schon sehr stabil. Wenn es uns gelingt, dauerhaft unsere PS auf die Straße zu bringen, dann sind wir auch mit dem aktuellen Kader in der Lage, regelmäßig zu Null zu spielen.

Welche Eigenschaften müsste ein möglicher neuer Abwehrspieler mitbringen?
Zu sehr ins Detail möchte ich nicht gehen. Tempo und Zweikampfstärke gehören mit Sicherheit dazu. Klar ist, dass wir nur dann jemanden verpflichten, wenn er die Mannschaft qualitativ wesentlich verstärkt.

Auffällig ist allerdings auch, dass Oguzhan Kefkir als erfolgreichster Torschütze erst sechs Treffer erzielt hat. Es folgen in der internen Wertung drei Spieler mit jeweils vier Treffern. Bereitet Ihnen das nicht mehr Sorgen als die Abwehr?
Mehr nicht, aber auch. Gemessen an den Chancen, die wir uns in den Spielen herausarbeiten, ist unsere Torausbeute definitiv zu gering. Auch daran müssen wir arbeiten.

Fehlt RWE ein „Knipser“ wie etwa Simon Engelmann in Rödinghausen?
Ob wir unbedingt einen Spieler im Kader haben müssen, der 20 oder sogar mehr Tore erzielt, lasse ich mal dahingestellt. Ich denke, wir können auch erfolgreich sein, wenn sich das Toreschießen auf mehrere Schultern verteilt. Ob ein Simon Engelmann, dessen Qualitäten unbestritten sind, bei uns auf dieselben Spielanteile und dieselbe Torquote wie in Rödinghausen käme, kann niemand vorhersagen. Wir haben in dieser Saison beispielsweise schon mit vier verschiedenen Mittelstürmern gespielt. Daher hatten unsere Jungs schlicht und einfach auch nicht so große Spielanteile, um entsprechend viele Tore zu erzielen. Es mag eine Floskel sein: Letztlich ist es mir egal, wer trifft. Hauptsache, wir nutzen unsere Chancen konsequenter. Da haben wir beispielsweise im Vergleich zu Rödinghausen und Verl Nachholbedarf.

Sind Neuverpflichtungen von möglichen Abgängen abhängig oder ist der Etat noch nicht ausgeschöpft?
Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass wir mit unserem derzeitigen Kader mit 25 gesunden Spielern schon am oberen Limit sind. Das Aufgebot noch deutlich zu vergrößern, halten wir nicht für sinnvoll. Von daher könnte es sein, dass uns der eine oder andere unzufriedene Spieler verlässt, falls wir noch einmal tätig werden.

Sehen Sie Spitzenreiter SV Rödinghausen und den SC Verl als die größten Konkurrenten an? Oder kann auch Ihr ehemaliger Verein Rot-Weiß Oberhausen noch ganz oben angreifen?
Es wäre töricht, RWO nicht auf der Rechnung zu haben. Das Team hat die beste Hinserie seit der Zugehörigkeit zur Regionalliga gespielt und ist auch bekannt dafür, nach der Winterpause weiterhin konstante Leistungen zu zeigen. Ich denke schon, dass die Meisterschaft zwischen diesen vier Vereinen entschieden wird.

Nach inzwischen sieben Monaten in Essen: Haben Sie bereits alle Facetten dieses Traditionsvereins kennengelernt?
Glücklicherweise nicht (lacht).

Was macht den Verein besonders?
Das Potenzial des Klubs – sowohl auf Zuschauer- wie auch auf Sponsorenebene – ist riesig. In der Stadt spürt man an jeder Ecke, welche Bedeutung der Verein für die Menschen hat. Damit eng verbunden ist allerdings auch eine große Erwartungshaltung und ein entsprechender Druck. Man muss viel Energie in der internen und externen Kommunikation aufwenden, um die notwendige Ruhe und Geduld zu bekommen.

An welchen Stellschrauben würden Sie außerhalb des Platzes gerne noch drehen, um die Voraussetzungen für sportlichen Erfolg zu erhöhen?
Schwierige Frage. Eigentlich sehe ich uns in allen möglichen Bereichen auf einem guten Weg. Wenn man sieht, wie überragend uns die Fans selbst beim Homberg-Spiel trotz des 0:2-Rückstands weiter unterstützt und immer noch an die Wende geglaubt haben, dann zeigt das schon, dass wir und die Mannschaft bisher einiges richtig gemacht haben.

Die U 19 und U 17 befinden sich auf Kurs in Richtung direkter Wiederaufstieg. Wie wichtig wäre die Rückkehr in die Junioren-Bundesligen?
Sehr wichtig. Grundsätzlich haben wir das Credo, dass wir ergebnis-unabhängig ausbilden wollen. Die Entwicklung der Spieler steht im Vordergrund. Allerdings wissen wir auch, dass es für die Ausbildung einen großen Mehrwert hat, sich regelmäßig mit den Besten messen zu können.

Sind erst 33, aber schon seit fast drei Jahren als Sportlicher Leiter in der Regionalliga tätig. War eine Trainertätigkeit für Sie keine Option?
Bisher war es zumindest keine Option. Nach meinem verletzungsbedingten Karriere-Ende hat mir RWO sehr schnell die Chance gegeben, als Sportlicher Leiter zu arbeiten, und ich habe gemerkt, dass mir das gut liegt. Parallel habe ich aber bis zur Elite-Jugend-Lizenz auch meine Trainerscheine gemacht, möchte demnächst auch die A-Lizenz anstreben. Man weiß nie, was im Leben und im Fußball so alles passiert. Ich möchte einfach auf alles vorbereitet sein. Außerdem schadet es nicht, sich auch in diesem Bereich weiterzubilden, zumal ich täglich mit dem Cheftrainer und regelmäßig mit den Nachwuchstrainern im Austausch bin.

Sie haben RWO von sich aus verlassen, um nach Essen zu wechseln. Verfolgen Sie einen bestimmten Karriereplan?
Nein, das nicht. In diesem Fall waren das Interesse und damit die Möglichkeit da, diesen Schritt zu machen. Grundsätzlich möchte ich so hoch wie möglich arbeiten – und das am liebsten langfristig in einem Verein. Während meiner gesamten Karriere als Profi und jetzt als Sportdirektor war ich nur bei vier Klubs. Konstanz und Kontinuität sind mir entsprechend wichtig. Ich habe Spaß daran, etwas aufzubauen. In Essen habe ich ein passendes Umfeld angetroffen, um meine Ideen umzusetzen und mich weiterzuentwickeln.

In dieser Saison ist der Aufstieg bisher nicht die offizielle Zielsetzung. Wird sich das in der Winterpause ändern?
Wir waren während der Hinserie gut beraten, in kleineren Etappen zu denken und nicht an das Saisonende. Das gilt jetzt auch für das neue Jahr. Der Fokus liegt ganz klar auf der Vorbereitung und den ersten Ligaspielen. Mit der Partie bei der Kölner U 21 und den drei folgenden Heimspielen im Februar gegen Rödinghausen, RWO und Lippstadt kommt einiges auf uns zu. Da haben wir die Chance, unsere Ausgangslage deutlich zu verbessern, wenn wir zu unserer anfänglichen Heimstärke zurückfinden. Grundsätzlich wollen wir die unsere Punktzahl aus der Hinrunde mindestens bestätigen.

Gesetzt den Fall, RWE bleibt in der Regionalliga: Muss es dann in der nächsten Saison klappen, zumal der Meister direkt aufsteigt?
Von einem Muss kann keine Rede sein, zumal jetzt noch gar nicht abzusehen ist, welche neuen Konkurrenten möglicherweise in die Liga kommen werden. Aber klar ist auch, dass der Trainer und ich hier angetreten sind, um möglichst kurzfristig den Aufstieg zu schaffen. Wir wollen attraktiven und erfolgreichen Fußball präsentieren, die Zuschauer im Stadion begeistern und neue Fans anlocken. Was am Ende dabei herauskommt, werden wir sehen.

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