Vor Achtelfinale gegen Bayer 04 liegt Fokus aber nur auf Meisterschaft.
Rot-Weiss Essen gegen Bayer 04 Leverkusen im Achtelfinale des DFB-Pokals: War da nicht mal was? Mehr als 25 Jahre, bevor sich der Bundesliga-Tabellendritte und Europa League-Teilnehmer am 2. oder 3. Februar erneut in der Runde der letzten 16 Vereine an der Essener Hafenstraße vorstellen wird, lieferten sich die beiden Klubs ein denkwürdiges Duell. RWE, im Oktober 1995 ebenfalls Titelanwärter in der Regionalliga (allerdings drittklassig), trotzte Bayer 04 (unter anderem mit Bernd Schuster, Christian Wörns und dem heutigen Geschäftsführer Rudi Völler) als krasser Außenseiter ein legendäres 4:4 (4:4, 1:1) nach 120 Minuten ab, zeigte erst im Elfmeterschießen bei strömendem Regen Nerven (1:4).
Dass beide Vereine, die sich 2002 auch noch mal in der ersten Runde gegenüberstanden (1:0 für Bayer 04), jetzt erneut im Achtelfinale aufeinandertreffen, soll aus RWE-Sicht möglichst nicht die einzige Duplizität der Ereignisse bleiben. Denn am Ende der Saison 1995/96 stieg der Traditionsklub auf. War es damals die Rückkehr in die 2. Bundesliga nach nur zwei Jahren Abstinenz, soll diesmal – endlich – der erstmalige Sprung in die eingleisige 3. Liga gelingen. Diesem Ziel laufen die Rot-Weissen schon seit 2008 vergeblich hinterher.
Klar ist: Eine Atmosphäre wie 1995, als 21.900 Zuschauer das damalige Georg-Melches-Stadion in einen Hexenkessel verwandelten, so dass ZDF-Reporterlegende Rolf Töpperwien von einer „Stimmung wie im Aztekenstadion in Mexico City“ sprach, wird es beim Geisterspiel-Achtelfinale logischerweise nicht geben. Zum dritten Mal nach den beiden Pokal-Überraschungen gegen Arminia Bielefeld (1:0) und Fortuna Düsseldorf (3:2) entgehen RWE corona-bedingt potenzielle Einnahmen aus einem vermutlich ausverkauften Stadion. Dennoch sind die nicht eingeplanten Einnahmen aus dem Pokalwettbewerb „mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, wie es RWE-Vorsitzender Marcus Uhlig (Foto) im Gespräch mit dem Fachmagazin „kicker“ und MSPW formuliert.
Schließlich summieren sich die TV-Prämien für die ersten drei Pokalrunden (137.000, 274.000 und 549.000 Euro) auf fast eine Million Euro und damit auf nahezu 15 Prozent des Essener Gesamtetats. Das sorgt nach der herausragenden Unterstützung durch Fans und Sponsoren (Geisterticket-Aktion, Verzicht auf Rückerstattungen, Verkauf von 5.000 Dauerkarten ohne Garantie auf Stadionerlebnis), nach der staatlichen Unterstützung (Kurzarbeit, Corona-Hilfen vom Land NRW) sowie dem Rückhalt durch Partner und Aufsichtsrat Sascha Peljhan, der zunächst für zwei Jahre jeweils einen siebenstelligen Betrag pro Saison als möglichen „Fallschirm“ zur Verfügung stellt, für weitere Entlastung, um die erheblichen Folgen der Corona-Pandemie aufzufangen. „Dank all dieser Faktoren sind wir bisher gut durch die Krise gekommen“, sagt Uhlig – und hat deshalb auch „kein Problem damit, ordentliche Pokalprämien an das Team auszuzahlen“.
Dennis Grote: „Nur bei sechs Punkten in der Liga schöner Pokalabend“
Trotz aller Pokal-Euphorie bei den RWE-Fans soll der Fokus des Teams in den kommenden Wochen ausschließlich auf die Liga gelegt werden. „Wenn wir aus den ersten beiden Meisterschaftsspielen in Wiedenbrück und gegen den Bonner SC keine sechs Punkte holen, dann werden wir auch keinen schönen Pokalabend gegen Leverkusen haben“, brachte es Mittelfeldroutinier Dennis Grote (34) bereits auf den Punkt.
Gerade für den Rückrundenstart in Wiedenbrück haben sich RWE-Trainer Christian Neidhart und sein Team sehr viel vorgenommen. Schließlich war der späte Treffer der Ostwestfalen zum 1:1-Endstand im Hinspiel einer der wenigen Stachel, die sich die seit Februar 2020 in Pflichtspielen unbesiegten Rot-Weissen bis zur Winterpause eingehandelt hatten. „Das war unnötig wie ein Kropf und hat mich noch lange geärgert“, so Neidhart, der sonst während der ersten Serie bei 15 Siegen und fünf Unentschieden „nicht viel zu meckern“ hatte.
Daran wollen die Essener ab sofort anknüpfen, um Verfolger Borussia Dortmund II weiter auf Distanz zu halten und auch unter Druck zu setzen. Das direkte Duell mit dem BVB (Samstag, 6. Februar, 14 Uhr) findet übrigens nur wenige Tage nach dem Pokal-Achtelfinale ebenfalls in Essen statt. Außerdem hat RWE unmittelbar zuvor in der Meisterschaft ein spielfreies Wochenende. Die Gefahr, dass der DFB-Pokal zu sehr von den Zielen in der Liga ablenken könnte, dürfte daher kaum bestehen.
Autor: Ralf Debat/MSPW