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Deutsches Fußballmuseum: Katar-WM bei Diskussion im Fokus

DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Ex-Profi Marco in Dortmund zu Gast.

Im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund fand am Donnerstag die Veranstaltung „Wa(h)re Weltmeisterschaft – Fußball und Menschenrechte in Katar“ statt. Bei dieser Diskussionsrunde erklärten unter anderem Verantwortliche aus dem Profi-Fußball und Politiker ihre Sicht auf die bevorstehende Weltmeisterschaft 2022 in Katar.

Als Gäste in dieser Runde waren DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der Ex-Nationalspieler und ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende von Werder Bremen Marco Bode, die Sportpolitikerin Viola von Cramon von Bündnis 90/Grüne und Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International als Redner vor Ort.

Das WM-Gastgeberland Katar wird in weiten Teilen der Öffentlichkeit wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert. So gilt die Lage in Katar insbesondere in Bezug auf Frauenrechte und die Situation der LGBTIQ+-Community als problematisch. Dazu sollen mehrere tausend ausländische Arbeiter beim Bau der WM-Stadien umgekommen sein und unter unwürdigen Arbeits- und Wohnverhältnissen dort leben.

Die Stimmen:

DFB-Präsident Bernd Neuendorf: „Die Vergabe sportlicher Großereignisse ist zu einem politischen Thema geworden. Ein Zuschlag ohne Auflagen mit Blick auf die Menschenrechte ist für die Zukunft schwer vorstellbar. In der aktuellen Situation plädiere ich dafür, die Drähte zu den Menschen in Katar zu nutzen, die Veränderung wollen. Bei einem Boykott der WM wäre die jüngste Reise der Innenministerin nach Katar, an der ich als Delegationsmitglied teilgenommen habe, nicht zustande gekommen. Die dabei gemachte Zusage der katarischen Regierung, die Sicherheit aller ins Land reisenden Fans zu garantieren, egal welchen Glaubens, welcher sexueller Orientierung und welcher Hautfarbe sie sind, ist eine wichtige Botschaft. Von der FIFA fordere ich ein, dass sie ihre eigenen Beschlüsse ernst nimmt. Dazu zählt, Entschädigungen zu leisten für die Menschen, die in Zusammenhang mit dem Bau der WM-Stadien und der dazugehörigen Infrastruktur verletzt oder gar umgekommen sind.“

Viola von Cramon (MdEP Bündnis 90/Grüne): „Die Probleme bei der Fifa sind struktureller Art. Wie kann denn Herr Infantino mietfrei in Katar leben und das dann so orchestrieren, als sei alles in Ordnung? Wir werden doch verarscht. Bis auf wenige Ausnahmen sitzen alle, die seinerzeit für die Vergabe der Weltmeisterschaften nach Russland und Katar gestimmt haben, inzwischen im Gefängnis. Eine Bande Schwerkrimineller entscheidet also über das größte Sportereignis, das wir alle vier Jahre haben. Wir wissen, dass sehr viel Geld und Manipulation im Spiel ist. Und wir wissen, dass trotz des guten Willens die nächsten Vergaben wieder genauso ablaufen. Doch wir können jetzt nicht immer nur nach Katar zeigen. Auch wir haben unsere Leichen im Keller. Wir brauchen eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur, analog zur Welt-Anti-Doping-Agentur. Dafür versuchen wir Mehrheiten zu bekommen.“

Katja Müller-Fahlbusch (Amnesty International Deutschland): „Es gibt keinen einzigen empirischen Beleg dafür, dass ein Sportgroßereignis eine Menschenrechtslage verbessert hätte. Nicht in China, wo 2008 und 2022 Olympische Spiele waren, und nicht in Russland, wo nach den Winterspielen 2014 auch die Fußball-WM 2018 stattgefunden hat. Zukünftige Vergaben müssen verbindlich an Menschenrechtsfragen und Nachhaltigkeitsstandards gekoppelt werden. Dadurch dass nicht nur wir von Amnesty, sondern auch Gewerkschaften, die Zivil-Gesellschaft und zahlreiche vorbildliche Fan-Initiativen seit inzwischen zwölf Jahren genau hinschauen, was in Katar passiert, ist das Thema in der Politik und im Sport angekommen und hat durchaus auch schon zu Veränderungen geführt, die einen Qualitätsunterschied ausmachen. Der DFB hat sich eine Menschenrechts-Policy gegeben, die FIFA hat sich bewegt. Doch Papier ist geduldig und deshalb werden wir im März 2023 genau hinschauen, wie die nächste WM-Vergabe durch die FIFA verläuft. Für nachhaltige Errungenschaften brauchen wir weiterhin den Resonanzraum durch die Öffentlichkeit. Es darf nicht passieren, dass die Aufmerksamkeit nach der WM in Katar wieder gen Null fährt.“

Marco Bode (Ex-Nationalspieler und ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender Werder Bremen): „Wir müssen den Vergabeprozess für die WM verändern. Es kann nicht sein, dass das FIFA-Exekutivkomitee alleine entscheidet. Da sitzen Menschen, die sehr anfällig für Korruption sind. Es muss eine transparente Vergabe geben. Wenn Gianni Infantino behauptet, dass drei Menschen auf den WM-Baustellen gestorben sind, müssen wir als Fußball dagegen halten und zeigen, dass wir mit so jemandem an der Spitze nicht zufrieden sind. Im Hinblick auf die Europameisterschaft 2024 ist es wichtig, Organisationen wie „Common Goal“ oder „Fußball kann mehr“ mit ihrem Expertenwissen in Nachhaltigkeitsfragen in Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen, damit den gutgemeinten Überschriften auch Veränderungen folgen. Grundsätzlich müssen wir an Visionen arbeiten, um die Diskrepanz zwischen dem elitären, kommerziellen Fußball und dem Grassroots-Fußball wieder zu verringern.“

Museumsdirektor Manuel Neukirchner: „Keine Weltmeisterschaft wurde im Vorfeld so kontrovers diskutiert wie diese erste Fußball-WM in der arabischen Welt. Die WM in Katar holt insbesondere auch die jungen Menschen, die wir täglich in Workshops im Rahmen unserer außerschulischen Programme unter anderem zu den Themen Homophobie und Vielfalt empfangen, in ihrer Lebenswirklichkeit ab. Wichtig ist, dass wir mit ihnen diskutieren, wie wir Veränderungen gestalten können, denn keiner will einfach nur verharren in der bloßen Feststellung der Konflikte, die unsere Welt überall in Atem hält. Der Fußball kann eine wichtige Rolle einnehmen, um Reformprozesse anzustoßen.“

Foto-Quelle: Deutsches Fußballmuseum

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