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Vor 25 Jahren: Rot-Weiss Essen im DFB-Pokal-Finale

Rund 30.000 Fans unterstützten Außenseiter im Berliner Olympiastadion.
Frank Kurth. Harry Kügler. Ingo Pickenäcker. Mathias Jack. Jürgen Margref. Jörg Lipinski. Adrian Spyrka. Kristian Zedi. Robert Reichert. Christian Dondera. Daouda Bangoura. Roman Geschlecht. Und Oliver Grein. Diese 13 Fußballer bestritten auf den Tag genau vor 25 Jahren (14. Mai 1994) das größte Spiel in der zweiten Hälfte der mehr als 112-jährigen Vereinsgeschichte des heutigen West-Regionalligisten Rot-Weiss Essen: Das DFB-Pokal-Finale 1994 im Berliner Olympiastadion gegen den SV Werder Bremen. Sie traten trotz der 1:3-Niederlage in die Fußstapfen der Helden aus den „goldenen“ 50-er Jahren wie Fritz Herkenrath, Heinz Wewers, August Gottschalk, „Penny“ Islacker oder nicht zuletzt Helmut „Boss“ Rahn, die 1953 den DFB-Pokal erobert und zwei Jahre später zum bisher einzigen Mal den Deutschen Meister-Titel nach Essen geholt hatten.

„Es macht mich stolz, dass wir von den RWE-Fans in einem Atemzug mit diesen legendären Spielern genannt werden“, blickt der Torhüter und heutige RWE-Aufsichtsrat Frank Kurth zurück, der selbst mit 358 Einsätzen in Liga-Spielen auf dem dritten Platz der ewigen Rot-Weiss-Historie rangiert. Nur Willi „Ente“ Lippens (434) und Meister-Spieler Wewers (371) waren noch häufiger für den Traditionsklub am Ball.

Das Pokal-Endspiel der nur wenige Monate zuvor vom DFB zum Zwangsabstieg aus der 2. Bundesliga verurteilten Rot-Weissen gegen Otto Rehhagels Bremer, die nur zwei Jahre zuvor Europapokalsieger der Pokalsieger waren und noch 1993 die Meisterschale nach Bremen geholt hatten, war nicht nur für Frank Kurth, sondern für alle Rot-Weissen ein herausragendes Erlebnis.

„Vor fast 80.000 Zuschauern, darunter mindestens 30.000 RWE-Fans, ins Stadion einzulaufen, das war Gänsehaut pur“, läuft Frank „Curtis“ Kurth noch heute ein Schauer über den Rücken. Schon am Tag vor dem Spiel hatten die Anhänger die Berliner City in ein rot-weisses Fahnenmeer verwandelt. Am Morgen des Spieltages kündigte sich ein riesiges Fußball-Fest an, als sich die Fans beider Clubs geradezu verbrüderten. „Werder und der RWE“, schallte es über den Kudamm. Eine Fan-Freundschaft, die sich bis heute gehalten hat.

Frank Kurth erinnert sich: „Wir waren zwei Tage vor dem Spiel nach Berlin angereist, wurden schon im Hotel, aber auch bei den Busfahrten und bei den Trainingseinheiten im Schatten des Olympiastadions ständig von Kameras verfolgt. Das war für uns alle Neuland. Vor dem Spiel mussten wir uns wegen des strengen DFB-Protokolls an einen ganz besonderen Ablauf halten, durften nur bestimmte Flächen des Rasens betreten und mein gewohntes Aufwärmprogramm musste ich um eine Viertelstunde verkürzen. Als dann vor dem Spiel auch noch die Nationalhymne gespielt wurde, ist sicher einigen mulmig geworden. So abgezockt wie die Bremer waren wir halt nicht.“

Beim SV Werder liefen Stars wie Rune Bratseth, Andreas Herzog, der frühere RWE-Profi Mario Basler, Dieter Eilts, Marco Bode oder auch Wynton Rufer auf. Die Folge: Das Finale schien zunächst eine einseitige Angelegenheit zu werden. Schnell führte der haushohe Favorit, der eine verkorkste Bundesliga-Saison (nur Platz acht) mit dem Cup-Gewinn „retten“ musste, um sich wieder für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren, durch einen Treffer des heutigen HSV-Sportdirektors Dietmar Beiersdorfer 1:0 (17.), später legte der Österreicher Andy Herzog das 2:0 nach (38.).

„Wir waren in der ersten Halbzeit wie gelähmt“, sagte der kleine Stürmer Christian Dondera. „Wir hatten zu viel Respekt. Bei einigen waren die Knie weich“, formulierte der 2013 verstorbene Trainer Wolfgang Frank.

Eine nicht unwichtige Rolle spielte dabei auch Kapitän Ingo Pickenäcker, der mit einer Bauchmuskel- und Adduktorenverletzung in die Partie gegangen war und schon nach der Anfangsphase sichtlich Probleme hatte. Erst nach dem 0:2, das Pickenäcker wegen seiner Verletzung nahezu ohne Gegenwehr zulassen musste, ersetzte Frank seinen Kapitän durch Roman Geschlecht. Zu spät? Oder war es überhaupt ein zu hohes Risiko, Pickenäcker einzusetzen? Darüber werden die RWE-Fans wohl auch noch heute diskutieren, ohne zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen.

Fakt ist: Pickenäcker hatte sich früher immer wieder in den Dienst der Mannschaft gestellt, sich beispielsweise vor dem Pokal-Achtelfinale gegen den MSV Duisburg mit Medikamenten voll gepumpt, um trotz einer Grippe spielen zu können. Da war es nur verständlich, dass er sich das größte Spiel seiner Laufbahn nicht entgehen lassen wollte.

Pickenäcker selbst erklärte: „Es war sicher ein Risiko. Aber die Mediziner hatten „grünes Licht“ gegeben. Sonst hat es immer geklappt, wenn ich angeschlagen aufgelaufen bin. Umso bitterer, dass es ausgerechnet im Pokal-Finale anders war.“

Für seinen Vorgänger als RWE-Kapitän hatte Ingo Pickenäckers Einsatz freilich bittere Folgen: Frank Kontny, später auch erfolgreicher Jugend-Koordinator und Sportlicher Leiter an der Hafenstraße, erfuhr erst am Spieltag beim Frühstück im Hotel „Hamburg“, dass er nicht mal zum Kader zählen würde.

„Noch beim Abschlusstraining im Olympiastadion deutete nichts darauf hin. Doch plötzlich war mein Traum vom Endspiel geplatzt“, ist Kontny auch noch Jahre später angesäuert.

Nach der Halbzeitpause erlebte Kontny gemeinsam mit den über 76.000 Zuschauern, wie seine Teamkollegen – inzwischen war noch Oliver Grein für Robert Reichert gekommen – plötzlich ihre Angst ablegten und nach dem Anschlusstreffer von Daouda Bangoura (50.) den Favoriten von einer Verlegenheit in die andere stürzten.

Im weiten Rund des Berliner Stadions wurden die RWE-Sympathisanten unter den Zuschauern von Minute zu Minute mehr, der Außenseiter war plötzlich ganz dicht an der Sensation.

„RWE hat ein Spektakel geboten, dass mir am Spielfeldrand Angst und Bange wurde“, gab Werder-Trainer Otto Rehhagel ehrlich zu. Er wechselte sogar seine nachlassenden Spielmacher Mario Basler und Andy Herzog aus, um den Vorsprung über die Zeit zu retten.

Trotz guter Chancen gelang Rot-Weiss der Ausgleich nicht. „Wie nah wir dran waren, das Spiel zu kippen, ist mir selbst erst so richtig bewusst geworden, als ich Jahre später den RWE-Jubiläumsfilm gesehen habe“, verrät RWE-Torwart Frank Kurth. „Mein Bremer Kollege Oliver Reck musste wirklich einige Male sein ganzes Können aufbieten.“

Oliver Reck wurde von den Rot-Weissen nicht mehr bezwungen. Frank Kurth aber musste kurz vor Schluss noch einen von „Kiwi“ Wynton Rufer geschossenen Elfmeter passieren lassen. Damit war das Spiel entschieden. Der Außenseiter hatte verloren, aber unendlich viele Herzen gewonnen.

Entsprechend ausgelassen war denn auch die vom Verein mit großem Aufwand im Hotel „Hamburg“ ausgerichtete Feier, von der das „Aktuelle Sportstudio“ des ZDF live berichtete. Am nächsten Morgen ging es mit dem Flieger zurück nach Dortmund, von dort mit dem Bus gleich weiter zum offiziellen Empfang der Mannschaft vor tausenden Fans auf dem Kennedyplatz in der Essener Innenstadt. Frank Kurth: „Der Platz war voll von Menschen. Nicht auszudenken, was in Essen los gewesen wäre, hätten wir wirklich den Pott geholt.“

Text: Franz Josef Colli und Ralf Debat für das Buch „100 Jahre – Nur der RWE“

Foto-Quelle: Heinrich Kluwie für das Buch „100 Jahre – Nur der RWE“

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