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Tiefe Trauer um Galopprennsport-Legende Hein Bollow

Erfolgreicher Jockey und Trainer im Alter von 99 Jahren verstorben.
Der deutsche Galoprennsport trauert! Jockey- und Trainer-Legende Hein Bollow (Foto) ist am Montagvormittag im Alter von 99 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben. Bollow, der am 5. Dezember 1920 in Hamburg-Nienstedten geboren wurde und zuletzt in einer Senioren-Residenz in Köln lebte, ist einer der erfolgreichsten deutschen Jockeys und Trainer.

Jockey wurde Bollow bei Anton „Pan“ Horalek in Hoppegarten. Während seiner aktiven Zeit (1936 bis 1963) ritt er 1.033 Sieger, davon vier im Deutschen Derby. 13 Mal wurde Bollow deutscher Jockey-Champion.

Als Galopper-Trainer war er von 1963 bis 1988 tätig. Hier kam er sogar auf 1.661 Siege, davon einen Derby-Sieg mit Marduk (1974). Im Jahr 1965 gelang ihm das einzige Trainer-Championat im Wettbewerb gegen seinen ehemaligen Berufsschulkollegen, Trainerlegende Heinz Jentzsch. Bollow gelang es als erstem Aktiven im Galopprennsport, sowohl im Sattel als auch als Trainer jeweils mehr als 1.000 Siege zu erreichen.

Hein Bollow, der seit 1947 in Köln wohnte, war bis zuletzt ein gern gesehener und regelmäßiger Gast auf allen deutschen Galopprennbahnen. Anlässlich seines 99. Geburtstages schien im Dezember 2019 im „Album des deutschen Rennsports 2019“, herausgegeben von der Galopper-Fachzeitung „Sport-Welt“, ein exklusives Interview. Noch vor wenigen Tagen war er in der RTL-Sendung „Stern-TV“ zu sehen, weil der Kölner Renn-Verein wegen der Corona-Zwangspause eine bemerkenswerte Aktion gestartet hatte. Unter dem Motto „Briefe an Hein Bollow“ schrieben zahlreiche Galopprennsport-Freunde Nachrichten an Bollow, der sein Domizil wegen der Ansteckungsgefahr nicht verlassen durfte.

Der Galopper-Dachverband („Deutscher Galopp“) hat den Tod von Hein Bollow inzwischen auch offiziell bestätigt. Wir veröffentlichen den Nachruf von Autor Michael Hähn im Wortlaut:

„Alles andere ist nebenbei, das Wichtigste ist das Pferd.“ – Es waren die Worte eines Mannes, der sein Leben den Vollblütern und dem Galopprennsport verschrieben hatte. Nun ist dieses Leben zu Ende gegangen. Es ist das eingetreten, was sich die Anhänger des deutschen Turfs nicht vorstellen mochten. Die Legende Hein Bollow ist am Montag im Alter von 99 Jahren in einem Kölner Krankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben, den er am 15. April erlitten hatte.

„Wir sind sehr traurig. Eine prägende Persönlichkeit des deutschen Galopprennsports ist von uns gegangen. Alle Turf-Freunde verbinden mit Hein Bollow bleibende Erinnerungen. Der Deutsche Galopp trauert um seine Lichtgestalt. Wir sind in diesen Stunden in Gedanken bei seiner Familie und seinen Freunden. Ihnen sprechen wir unser herzliches Beileid aus“, so Dr. Michael Vesper, Präsident von „Deutscher Galopp“.

Tiefe Trauer über diese Nachricht, aber auch enorme Dankbarkeit für viele Jahre gemeinsamer Momente und Erlebnisse mit einer ganz besonderen Persönlichkeit erfassen alle Menschen, die diesen großartigen und unvergleichlichen Pferdemann gekannt haben. Und das nicht nur wegen seiner unzähligen Erfolge. Er war lange Jahre weltweit der einzige Galopp-Aktive mit mehr als 1.000 Siegen im Rennsattel und als Trainer, bevor ihm Peter Schiergen nachfolgte. Sondern wegen seiner einzigartigen Aura und charismatischen Zugewandtheit.

Ein Satz, geäußert in einem Interview mit der „Zeit“ im Jahr 1987, ein Jahr vor dem Ende seiner Trainer-Laufbahn, stand stellvertretend für seine Prioritäten: „Ich würde für eine Theaterkarte nicht den kleinsten Umweg machen, aber für ein Pony, das ich für meinen Stall haben möchte, würde ich 500 Kilometer weit fahren.“ Bezeichnend auch sein Spruch: „Meine Pferde sind wie Kinder, die man zweimal am Tag, morgens und abends begrüßen muss.“

Mit Pferden hatte er wahrlich immer zu tun. In Hamburg-Nienstedten wurde Hein Bollow geboren, und hier verbrachte er seine Kindheit – wenige Minuten entfernt vom Pferde-Springplatz in Klein-Flottbek. Schon mit zehn Jahren fand Bollow den Weg in den Sattel, zunächst auf Polo-, Turnier- oder Springpferden. Anton „Pan“ Horalek in Hoppegarten wurde sein Lehrmeister als Jockey. Es folgte eine erste Karriere von 1936 bis 1963. Eine hoch erfolgreiche, wie 1.033 Siege, beginnend 1938 mit Juist in Halle an der Saale, für den nur 1,55 Meter großen Bollow dokumentieren. Allein viermal gewann er in seiner Heimatstadt Hamburg das Deutsche Derby – 1953 mit Allasch, 1954 mit Kaliber, 1956 mit Kilometer und 1962 mit Herero.

Geschenkt bekam er nichts, sondern musste sich alles hart erarbeiten und außerdem die Kriegsjahre überstehen – mit Kampfeinsätzen, Lazarett, Arbeitsdienst. Leidenschaft, Aufgeschlossenheit und Geradlinigkeit waren nur einige der Qualitäten, die ihn schon früh auszeichneten. Damit erreichte Bollow, der seit 1947 in Köln lebte, 13 Championate als Jockey.

Nahtlos war der Erfolg Hein Bollow, der eigentlich Heinrich Bollow hieß, aber nur „Hein“ genannt werden wollte („Herberger ist doch auch nicht als Josef durch die Lande gereist, sondern als Sepp. Und dann weiß bei Hein doch jeder, dass ich aus Hamburg komme.“), auch beim Start seiner zweiten Laufbahn als Trainer ab 1964 vergönnt, in der er es 1965 sogar schaffte, die Championatsserie der Trainerlegende Heinz Jentzsch zu durchbrechen und selbst einen Titel als Trainer zu holen.

Bollow war nicht angestellt, sondern trainierte Pferde für die großen Zuchtstätten. „Ich hatte von Anfang an ein volles Haus“, sagte Hein Bollow einmal. Und auch die Qualität hielt Schritt. Stolze 1.661 Siege erzielte er bis zum Jahr 1988, als seine zweite große Karriere zu Ende ging. Natürlich gehörte dazu auch ein Derby-Sieg – 1974 mit Marduk. Über ihn erzählte Bollow, der als Anerkennung seiner großen Verdienste 1975 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse erhielt, folgende Anekdote: „Das war ein sehr robustes Pferd. Wenn da ein Stallbursche sein Käsebrot in der Box liegengelassen hätte, Marduk hätte es gefressen. Ohne Nachwirkungen.“

Für Bollow, über den die „Zeit“ schrieb, „Auf ihn schaut keiner herab. Er wirkte im verschlissenen Pullover überzeugender als manch einer im Diplomaten-Look“, war allerdings der Weltklassegalopper Nebos das beste Pferd, das er je trainierte. Dieser Ausnahmehengst brachte es auf ein GAG (Generalausgleichsgewicht) von 106 Kilo. Bei einem besseren Rennverlauf hätte er möglicherweise sogar den Prix de l‘Arc de Triomphe gewonnen, in dem er als Fünfter klar unter Wert geschlagen war.

Außer Nebos und Marduk gehörten auch Kondor, Revlon Boy, Oberbootsmann und Blauer Reiter zu seinen vierbeinigen Cracks. 49 Gruppe-Siege, davon neun der höchsten Kategorie, zeugten von den großen Trainer-Qualitäten Hein Bollows. Mit Opponent siegte er 1963 im ersten Preis von Europa in Köln. 1988 feierte er mit Kondor seinen Abschiedserfolg in diesem Kölner Großereignis.

Penibel führte Hein Bollow Buch über all seine rennsportlichen Erfolge und verstand es wie kein Zweiter, andere Menschen durch seine Schilderungen mitzureißen. „Wenn ich anfange zu erzählen, dann brauchen wir drei Tage, bis ich mit Ihnen durch bin“, brachte er es auf den Punkt. Er trat in Fernsehsendungen auf – wie dem „Blauen Bock“ von Heinz Schenk, wo er mit Max Schmeling und anderen Sportgrößen sogar ein Lied zum Besten gab.

In seinem Kölner Haus, und auch später in seiner Wohnung in einer Kölner Seniorenresidenz, wimmelte es an Ehrenpreisen. Besonders stolz war Hein Bollow auf eine Weltzeituhr für den Europa-Preis-Sieg mit Opponent. 56 Jahre war er mit seiner Ehefrau Margot verheiratet. „Sie war der Motor für meine Erfolge, eine starke Frau ist eine wichtige Voraussetzung.“

Unterwegs war er bis zuletzt zu allen möglichen Schauplätzen von Galopprennen. Oft mit seinem Freund, dem Kölner Jockey Filip Minarik, der sich bis zuletzt rührend um Hein Bollow kümmerte, oder mit der Familie Schiergen, in deren Stall Asterblüte er noch bis vor kurzem jeden Morgen verbrachte. „Wenn Du mit Hein Bollow fährst, brauchst Du kein Navigationsgerät“, sagte Minarik über den Mann mit dem fotografischen Gedächtnis, der auch in völliger Taubheit großen Anteil am Galopp-Geschehen nahm und in Köln, Hamburg, Baden-Baden, oder wo auch immer, meistens der erste Gratulant für die Aktiven im Absattelring war. Sein langgezogenes „Gratuliiiere!“ ist unvergessen.

„Zu meinen Aufgaben gehört es, das Licht im Stall auszumachen“, meinte Hein Bollow in dem angesprochenen Interview mit der „Zeit“. Nun war die Zeit gekommen und sein eigenes Lebenslicht ist erloschen. Nie verblassen werden aber die vielen Erinnerungen an diesen einzigartigen Menschen, die Lichtgestalt des deutschen Galopprennsports. An den Mann, der für die Pferde gelebt hat.“

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